Europäische Fernwanderwege
Wer nach langen Wanderprojekten mit mehreren tausend Kilometern Strecke sucht, der wird von den europäischen Fernwanderwegen begeistert sein. Die durchnummerierten Strecken mit Bezeichnungen wie E1, E5 oder E9 verbinden immer mehrere europäische Länder miteinander und verlaufen oft parallel zu Pilgerwegen, nationalen Routen wie den Grandes Randonnées in Frankreich oder auch zu lokalen Wandersteigen.
Eine Auflistung der bisher 12 europäischen Wanderwege folgt weiter unten. Über diese Wege hinaus haben auch unsere europäischen Nachbarländer zahlreiche nationale Trails mit mehreren hundert oder tausend Kilometern, auf denen du die vielfältigen Landschaften und Kulturen erleben kannst.
Natürlich können wir hier nur eine kleine Auswahl an besonders beliebten Wegen wiedergeben. Geheimtipps zu europäischen Wanderwegen, die hier nicht aufgeführt sind, können gerne in den Kommentaren unter dem Beitrag weitergegeben werden.
Auf den meisten Wegen wirst du dir auf Zeltplätzen, in Herbergen, Pensionen oder Hotels eine Unterkunft suchen müssen. Die Skandinavischen Länder Schottland und die Schweiz haben hingegen das so genannte Jedermannsrecht. Abgesehen von bestimmten Bereichen wie Naturschutzgebieten oder auf Privatgelände besteht dadurch das Recht, zum Beispiel im Wald dein Zelt aufzustellen.
In Deutschland und in den meisten anderen umliegenden Ländern gibt es dieses Recht nicht und je nach Region werden Verstöße streng geahndet.
Fernwanderwege in Nordeuropa – Skandinavien und Groß-Britannien
In Schweden ist vor allem der so genannte Kungsleden berühmt, der auf zwei unterschiedlichen Routen durch das Zentrum bzw. durch den Norden des Landes, genauer gesagt durch Schwedisch Lappland und die Heimat der Samen führt.
Die rund 350 km lange Südroute ist dabei weniger bekannt, soll auch für Anfänger sehr gut machbar sein und ist vor allem für Wanderer interessant, denen viel an ihrer Ruhe unterwegs gelegen ist und die Strecken mit vielen Besuchern eher scheuen.
Der knapp 450 km lange nördliche Kungsleden schließt nicht direkt an die Südroute an, sondern beginnt mit einigem Abstand deutlich weiter oben im Norden. Diese Route ist die bekanntere und stärker frequentierte, eignet sich also perfekt für alle, die unterwegs gerne neue Wanderfreunde finden.
Durch das Jedermannsrecht und die Option, sein Zelt überall (es gelten z. T. Ausnahmen für bewirtschaftete und besiedelte Flächen sowie Naturschutzgebiete) aufstellen zu können, können sich aber auch die weniger kontaktfreudigen Wanderer unterwegs wohlfühlen und müssen nicht an den Hütten entlang des Weges zusammen mit anderen Wanderern einkehren.
Das Jedermannsrecht hast du auch in Schottland, sodass du zum Beispiel auf dem 154 km langen West Highland Trail und dem direkt anschließenden 117 km langen Great Glen Way deine Etappen flexibler einteilen kannst. Lediglich im Loch Lomond and the Trossachs Nationalpark ist das Wildcampen in bestimmten Zeiträumen untersagt, hierfür sind eigene Campingplätze eingerichtet.
Der West Highland Trial führt dabei von Glasgow nach Fort William und der Great Glen Way im Anschluss von Fort William nach Inverness. Die schottischen Highlands sind mit ihren Bergen und Mooren nicht nur eine beliebte Filmkulisse, sondern auch ein häufig besuchter Anlaufpunkt für Wanderer.
Wenn es dich mehr in die Berge zieht und du eine herausfordernde, alpine Strecke suchst, ist die Jotunheimen Runde in Norwegen vermutlich genau das richtige für dich. Die knapp über 100 km lange Strecke fordert unterwegs einige Höhenmeter von den Wanderern, bietet dafür aber auch einmalige Aussichten und vor allem Ruhe und Abgeschiedenheit.
Und schließlich kannst du auf dem 1014 km langen South West Coast Path auf den historischen Spuren der Küstenpatrouillen von Leuchtturm zu Leuchtturm wandern. Früher wurde auf dem Trail versucht, das Treiben der Schmuggler in den Griff zu bekommen. Heute ist der Fernwanderweg der längste der National Trails und begeistert Wanderer mit den einmaligen Aussichten auf die britische Küste.
Wanderwege Westeuropa – Frankreich, Spanien und Portugal
Die Franzosen teilen ihre Begeisterung zum Wandern mit den Deutschen und haben mit den GR Routen (für Grande Randonnée = große Wanderung) gut beschilderte Fernwanderwege etabliert. International berühmt sind dabei vor allem der GR10, auf dem die Pyrenäen durchquert werden, der GR20 durch Korsika oder der GR65, der parallel zum französischen Jakobsweg verläuft und von Genf bis an die Pyrenäen führt und in Spanien ebenfalls als GR65 weitergeführt wird.
Schließlich gibt es auch in Spanien und Portugal die GR Wanderwege, hier als Gran Recorrido und Grande Rota übersetzt. Der spanische GR11 verläuft parallel zum französischen GR10 und durchquert ebenfalls die Pyrenäen, aber auf spanischer Seite.
Da beide Strecken durch die Pyrenäen führen, sind nicht nur die jeweils über 800 km langen Routen an sich eine Herausforderung, sondern auch das anspruchsvolle Höhenprofil. Zwar finden sich entlang des Weges Schutzhütten und zum Teil auch Campingplätz und Hotels, meistens ist jedoch erforderlich, sich für einige Tage mit Lebensmitteln einzudecken.
Der GR20 in Korsika ist zwar mit 180 km deutlich kürzer, wird aber dennoch als einer der härtesten Fernwanderwege bezeichnet. Immerhin müssen auf den 16 Etappen rund 12.000 Höhenmeter allein im Aufstieg bewältigt werden, die oftmals auch über steile Felsen und Kletterpassagen führen.
Der portugiesische GR13 an der Algarve entlang gehört ebenfalls zu den beliebten Fernwanderwegen im Süden Europas. Die 300 km lange Strecke von Alcoutim nach Kap St. Vincent wird in 14 Etappen unterteilt, von denen einige einen hohen Schwierigkeitsgrad mit vierstelligen Höhenmetern Aufstieg am Tag vorzuweisen haben.
Fernwanderwege Osteuropa - Tschechien, Slowakei
Der so genannte Weg der Helden – oder Cesta hrdinov SNP – durchquert die Slowakei und verläuft fast vollständig parallel zum europäischen Weg E8. Er ist knapp 770 km lang und führt von der Burg Devin in der Nähe von Bratislav bis zur polnischen Grenze im Nordosten.
Der Weg hat seinen Namen zu Ehren des slowakischen Nationalaufstandes von 1944 bekommen, bei dem sich ein Teil der slowakischen Armee gegen die deutsche Besatzung zu wehren begann.
Die rund 31 Etappen des Weges der Helden führen über die so genannten Kleinen Karpaten, die Große Tatra, die Niedere Fatra und weitere Mittelgebirge des Landes und hab daher einiges an einzigartigen Landschaften (und wenig frequentierten Wanderwegen) zu bieten – aber auch einiges an Höhenmetern im Gepäck.
Eine ebenfalls noch wenig frequentierte Route ist der insgesamt 2000 km lange Stezka Českem, was übersetzt einfach Tschechischer Wanderweg heißt. Der Weg teilt sich in eine jeweils 1000 km lange Nord- und Südroute und führt einmal quer durchs Land.
Der erst vor wenigen Jahren (2021) ins Leben gerufene Thru Hike ist in Sachen Infrastruktur nicht mit den Wegen im dicht besiedelten Deutschland oder den viel besuchten Jakobswegen vergleichbar, dafür kannst du dich aber über naturbelassene Landschaften freuen und einen individuellen Trail mit Übernachtungen in Schutzhütten und im Zelt zusammenstellen (Pensionen und Hotels gibt es je nach Standort natürlich auch).
Trails in Südeuropa – Österreich, Slowenien, Italien
Der Tiroler Adlerweg besteht aus zwei Routen, die erste 320 km Strecke führt in 24 Etappen durch die Nordtiroler Berge, die zweite Route führt in 9 Etappen durch Osttirol und bringt noch einmal rund 90 km Strecke mit.
Beide Strecken sind vor allem vom alpinen Höhenprofil geprägt und nichts für ungeübte Wanderer, dafür aber bedeutend weniger frequentiert als die moderaten Wanderstrecken durch ebenes Gelände. Wer dramatische Landschaften und technisch anspruchsvolle Wege (und seine Ruhe) sucht, wird hier in jedem Fall fündig.
Der so genannte Alpe Adria Trail ist 750 km lang und führt durch Österreich, Slowenien und Italien. Sein Start in den Ostalpen und sein Ziel an der Adriaküste in Italien zeigt schon, welche landschaftliche Vielfalt du von diesem Trail erwarten kannst. Die 37 Etappen sind dabei abwechselnd sehr anspruchsvoll und moderat, je nach Höhenprofil des Tages.
Und wer sich eine richtig lange Auszeit gönnen will, sollte die 6000 km auf dem Sentiero Italia in Angriff nehmen. Die Strecke beginnt im Nordosten in Triest, überquert die Alpen in westlicher Richtung, führt anschließend einmal komplett nach Süden durch Italien, durchquert Sizilien und endet schließlich in Sardinien.
Für die weit über 300 Etappen ist dabei nicht nur ein langer Urlaub nötig, die alpinen Abschnitte zu Beginn erfordern auch einiges an Kondition, Trittsicherheit und zuverlässigem Equipment. Dafür wird wohl kaum jemand Italien so gründlich kennengelernt haben wie jemand, der diese enorme Strecke bewältigt hat.
Übersicht Fernwanderwege bei unseren europäischen Nachbarn
Hier nun der Übersicht halber eine Auflistung der vorgestellten Wanderrouten in aufsteigender Länge.
- Jotunheimen Runde Norwegen 103 km
- Great Glen Way Schottland 117 km
- West Highland Trail Schottland 154 km
- GR20 Korsika 180 km
- GR13 Portugal 300 km
- Tiroler Adlerweg 320 km
- Kungsleden Süd 354 km
- Kungsleden Nord 447 km
- Weg der Helden 770 km
- GR11 Spanische Pyrenäen 820 km
- GR10 Französische Pyrenäen 866 km
- Stezka Českem Tschechien 1000 km
- South West Coast Path England 1014 km
- GR65 Frankreich Genf – Saint Jean, 1120 km
- Sentiero Italia 6000 km
Auch abseits der E-Fernwanderwege findest du also schon eine große Auswahl an Strecken mit unterschiedlichen Längen, sodass für jede Wanderkondition das passende dabei ist. Abgesehen von dem Sentiero Italia kann jedoch keiner der Wege mit den 12 großen europäischen Fernwanderwegen mithalten, die alle mehrere tausend Kilometer Strecke besitzen.
Europäische E-Fernwanderwege
Zusammen mit den weltweiten Jakobswegen sind die europäischen Fernwanderwege die längsten zusammenhängenden Trails in unserer Nachbarschaft, die über mehrere Länder hinweg verlaufen.
- E1: Norwegen, Nordkap – Sizilien, Capo Passero ca. 7000 km
- E2: Irland, Galway – Frankreich, Nizza, ca. 4850 km
- E3: Portugal, Kap St. Vincent – Türkei, Istanbul, 6950 km
- E4: Portugal, Kap St. Vincent – Zypern, 10450 km
- E5: Frankreich, Pointe du Raz – Italien, Venedig, 3050 km
- E6: Finnland, Kilpisjärvi – Türkei, Dardanellen, 5200 km
- E7: Kanarische Inseln – Ukraine 5000 km
- E8: Irland, Dursey – Türkei, Istanbul 7500 km
- E9: Portugal, Kap St. Vincent – Narva-Joesuu, Estland, 5000 km
- E10: Nuorgam, Finnland – Tarifa, Spanien, 2880 km
- E11: Den Haag, Niederlande – Masuren, Polen, 2070 km
- E12: Spanien – Adriatisches Meer, 2880 km
Bei den meisten dieser Fernwanderwege gibt es eine deutlich längere, geplante Strecke (siehe Liste) und einen bereits fertiggestellten, kürzeren Teilabschnitt.
So kannst du dir aussuchen, ob du auf Nummer sicher gehen und den gut markierten Teil bestreiten willst oder ob dich der Abenteuer Faktor reizt, dir die noch fehlenden Teilstrecken selbst zu erschließen und eigene Wege zu finden.
Dabei kannst du dich wiederum an den lokalen Wanderwegen orientieren und so zumindest Teile der fehlenden Strecken ergänzen. Umgekehrt kannst du natürlich auch, wenn die Zeit nicht für einen kompletten E-Fernwanderweg ausreicht, nur ein Teilstück in dem von dir gewünschten Land gehen.
Der E1 führt zum Beispiel über weite Strecken durch Deutschland hindurch, sodass du ohne ewig lange Anreise auch hier einen langfristigen Fernwanderweg bestreiten kannst. Mehr Informationen zu den deutschen Fernwanderwegen findest du in einem eigenen Blogartikel bei uns.